Weiterbildung
Allgemeines zur Weiterbildung
Bereits auf den Gebieten Medizin, Psychologie, Pädagogik (auch Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Erziehungsausbildung), Heilpädagogik, Physiotherapie, Ergotherapie, Musiktherapie, Verhaltenstherapie, Pflegeausbildung, Sprachheilkunde und Logopädie Ausgebildete (mit Abschluss), und wer ein tiefenpsychologisches Diplom hat, können an der Weiterbildung auf dem Gebiet der “Sensitiven Musiktherapie” teilnehmen. Sie wurde innerhalb der Konfliktforschung W.A.Siebel (abgek.: KFWAS) in der Forschungsgruppe “Interdisziplinäres Seminar” entwickelt.
Die Weiterbildung besteht aus der Lehranalyse und aus theoretischen Blöcken (1 Woche pro Jahr) und Praktika.
Die Lehranalyse bezieht sich nur auf die Ausbildung und vermittelt die theoretischen Grundlagen, um die eigenen Fähigkeiten zu erweitern. Sie findet in 2 Blöcken à 4 mal 45 Minuten statt in einem Abstand von etwa 8 Wochen.
Die theoretischen Voraussetzungen der Weiterbildung bilden die noologisch orientierte Entwicklungstheorie und die Lebensstilbildtheorie. Mit dem Grundverständnis von Verwundung und Lebensstilbildung, der physiologischen Realität organischer Tätigkeiten, dem Sinnzusammenhang von Projektionen und den Beschreibungen der offenen Möglichkeiten des Ursprünglichen bilden sie die elementare Struktur der Weiterbildung.
Im ersten Block (Grundstudium ) orientieren sich die Inhalte im wesentlichen an Möglichkeiten, die Selbstwahrnehmung zu vergrößern, d.h. die Vermittlung der Inhalte zielt auf Erweiterung der selbstkritischen Fähigkeiten. Die Teilnahme an der Fort- und Weiterbildung setzt die erwähnte Lehranalyse voraus. Nur so können die Lerninhalte von Anfang an auch auf die Arbeit und auf sich selbst bezogen werden.
Im folgenden Block (Aufbaustudium) liegt der Akzent auf der Fähigkeit, abstrakte Denkvorgänge so einzubringen, dass theoriekritische Offenheit gewährleistet wird, wobei interdisziplinäre Vielfalt den Blick auf die Unterschiedenheit von Konzepten schärfen soll. Hierhin gehört dann natürlich auch die Darstellung noologischer Konzepte und die Auseinandersetzung mit neuen Erkenntnissen auf den Gebieten der Psychologie, Medizin, Philosophie, Pädagogik und Religionswissenschaft. Es ist gewährleistet, dass die Forschungsgruppen der “KFWAS” die neuesten Entwicklungen in diesen Bereichen aufgreifen und weitergeben, damit Erweiterungen bzw. Korrekturen der theoretischen Elemente vorgenommen werden können.
Im letzten Block (Zusatzstudium) zielt die Weiterbildung auf die konkrete Tätigkeit in der Sensitiven Musiktherapie. Hierher gehören insbesondere die intensive Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Theoriekonzepten anderer Schulen und die notwendige Differenzierung der theoretischen Erwägungen der durch die Prämissen orientierten Hypothesen und Fragen der Methodik. Musiktherapie als eigenständiges, tiefenpsychologisch orientiertes Verfahren zur Behebung von Konflikten verlangt eine Möglichkeit der Effizienzkontrolle und eine für Ratsuchende klar erkennbare Unterscheidung zu anderen Verfahren wie z. B. Psychotherapien. (1)
Die Sensitive Musiktherapie hat ihre Ziele und Tätigkeitsfelder weitgehend mit Beratungskonzepten anderer tiefenpsychologischer Schulen gemeinsam. Theoretische Nähe besteht zu Konzepten der Individualpsychologie (2) und Existenzanalyse (3). Gemeinsamkeit und Übereinstimmung besteht in der “Hilfe zur selbsttätigen und möglichst auch selbständigen Lösung von Aufgaben, Problemen und Konflikten” (4).
Die Abschnitte 1 bis 3 dieses Artikels (4) stellen grundlegende Überlegungen und Ergebnisse vor, denen dem Wesen nach zuzustimmen ist. Wir übernehmen stichwortartig einige Sätze in abgewandelter Form, um kurz auf das Wesentliche hinzuweisen (in eckigen Klammern unsere Zusätze).
Die Sensitive Musiktherapie will Hilfe zur Selbsthilfe leisten. “Bei besonders schwierigen Aufgaben, scheinbar unlösbaren Problemen und Konflikten im zwischenmenschlichen Bereich bietet die ... <Sensitive Musiktherapie> so viel Hilfe an, wie die <Klientinnen und> Klienten brauchen, um ihre Aufgaben, Probleme oder Konflikte zukünftig selbst lösen zu können” (5). Zur Sensitiven Musiktherapie gehört “auch, soweit nötig, die Aufdeckung unbewusster Anteile des Lebensstils zwecks Erweiterung und Vertiefung des Selbst- und Fremdverstehens. Voraussetzung und Bedingung der gesamten Arbeit ist die Berücksichtigung des ganzheitlichen Verständnisses vom Menschen” (6).
Die Gruppenarbeit ist die zentrale Organisationsform (7). In der Gruppe kann es leichter gelingen, “dass möglichst viele (alle) Teilnehmer<innen> die Lehrziele der <jeweiligen> Maßnahme so verstehen und akzeptieren oder verändern, dass sie zu je eigenen Lernzielen werden und über Phasen des Einübens und Trainierens ein möglichst vollständiger Transfer in die” eigene Praxis “gelingt” (8), wobei der Blick auf die individuelle Situation die kritische Reflexion bestimmt.
In Anlehnung an J.Cremerius (9) gilt für unsere Arbeit, die stets interdisziplinär angelegt ist: “Die Begegnung mit anderen Wissenschaften ... (liefert) ein Gegengewicht gegen die in der Lehranalyse liegende Gefahr der Identifizierung in der Lehre, (verringert) Glaubenshaltungen und Abhängigkeiten. Sie (ermöglicht) eine offene, kritische Haltung und (schafft) Anreize zur Forschung.” Deshalb wird in der KFWAS interdisziplinär gearbeitet. Die Teilnahme an diesen Forschungsgruppen wird auf die Fort- und Weiterbildung angerechnet.
Die Erfahrungen der tiefenpsychologischen Schulen im Hinblick auf Fort- und Weiterbildungen müssen berücksichtigt werden. Neues weckt erst einmal Widerstand, müsste doch bei neuen Entdeckungen umgelernt werden. Horst Kächele (10) hat in seinem Interview mit der Zeitschrift “Ärztliche Praxis” (11) dieses Umdenken aufgrund neuerer Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie (12) gefordert: “Falsche Bilder über Bord werfen!” (13).
Demgegenüber zeigt sich noch immer die alte Tendenz, dass “die einzelnen Schulen der Tiefenpsychologie versuchen, organisatorisch so etwas wie eine wissenschaftliche Weltanschauung zu verkörpern. Die Bewahrung der korporativen Identität gerät dabei regelmäßig in Konflikt mit der Forderung nach Offenheit für wissenschaftliche Neuerungen und theoretische Weiterentwicklung” (14).
In der Weiterbildung der Sensitiven Musiktherapie will die Beteiligung von Laien in den Fortbildungs- und Forschungsgruppen diese Offenheit praktikabel sein lassen, denn “in der Geschichte der Psychoanalyse haben ... gerade Laien wesentliche Beiträge zur Forschung erbracht” (15). Henry Ellenberger hatte schon 1973 (16) auf diese Besonderheiten der Schulentwicklung bei Freud und Adler hingewiesen. Wichtig ist für uns, dass die Lernfähigkeit dem Widerfahrnis von “leben” gegenüber nicht durch Weiter- und Fortbildung begrenzt werden darf, sondern erweitert werden soll, damit bei allem fachspezifischen Wissen der Akzent auf das Bewusstsein gelegt wird, das sich vergegenwärtigt, dass “bisjetziges” Wissen noch nicht alles ist, was lern- und erfahrbar ist.
Der Anspruch der tiefenpsychologischen Schulen, dem Menschen und seiner Lebensfähigkeit dienlich zu sein, muss sich an ihrer Integrationsfähigkeit grundlegender neuer Erkenntnisse sowie an ihrem Bestreben zur Ausgrenzung neuer Erkenntnisse mit der Zielsetzung ihrer Selbsterhaltung messen lassen. Anm.: Gerade in der Beratung wird “auf Widerstand gestoßen bei allen, die das Privileg der direkten oder indirekten Kassenabrechnung besitzen” (17).
Die Sensitive Musiktherapie will Hilfe zur Selbsthilfe, Ermutigung zur Handlungsbereitschaft und Einsicht in eigenständige Denk- und Entscheidungsfähigkeiten geben. Ihre Tätigkeitsbereiche ergeben sich aus der Aufteilung der Aktionsfelder. Deshalb kann sie auch für unterschiedliche Berufsgruppen, in denen beraterische Tätigkeiten gefordert werden, fachspezifische Formen annehmen. Wichtigstes Ziel bleibt die Wahrung der Unabhängigkeit der Ratsuchenden (Klienten/innen, Mandanten/innen usw.), in aller Freiheit selbst entscheiden zu können, was sie für sich als sinnvoll annehmen wollen oder nicht.
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Anmerkungen
(1) Hierzu gibt es Veröffentlichungen aus anderen Richtungen, die behandelt werden. Die neuesten, hier besonders relevanten, seien genannt:
Das Themenheft der “Zeitschrift für Individualpsychologie” (ZfIP), 1/1990: Leitthema: Ausbildung - Struktur, Methoden, Probleme.
Das Themenheft der Zeitschrift “Wege zum Menschen”, 1/1990: “Psychologische Beratung in der Kirche”.
In der Zeitschrift “Der evangelische Erzieher”, 1/1990 die Beiträge zur Pädagogik von Jürgen Oelkers (“Ist säkulare Pädagogik möglich?”, S. 23-31) und Hans-Georg Kelterborn (“Evangelische Erzieherausbildung im Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsbildung und Methodenkompetenz”, S. 31-43).
(2) Alfred Adler.
(3) Viktor Frankl.
(4) Hans Josef Tymister und Heidi Wöhler “Erfahrungen aus der Weiterbildung in individualpsychologischer Beratung”, in: “ZfIP” 1/1990, S. 40.
(5) a.a.O. S. 39 f.
(6) a.a.O. S. 40.
(7) a.a.O. S. 42.
(8) a.a.O. S. 42.
(9) “Lehranalyse und Macht” in: “Forum der Psychoanalyse”, 5/ 1989, S. 190-208; zitiert von Gerd Lehmkuhl im Editorial der ZfIP 1/1990, S. 1.
(10) Mitherausgeber des Lehrbuches der psychoanalytischen Therapie
(11) Nr.30 vom 14.4.1990, S. 26-28
(12) Siehe u.a. Block 1 der Weiterbildung (“Grundlegung”).
(13) So die Überschrift auf S. 26.
(14) Ronald Wiegand “Organisierte Menschenkenntnis” in: “ZfIP” 1/1990, S. 2.
(15) Margarete Mitscherlich-Nielsen und Detlef Michaelis in “Psychoanalyse in der Bundesrepublik”, Psyche 38.Jg., 577-584, 1984; zitiert a.a.O. S. 11.
(16) Henry Ellenberger in “Die Entdeckung des Unbewussten”, S. 801
(17) a.a.O. S. 13.